„Sprache muss sich anpassen“

„Sprache muss sich anpassen“

Deutschlehrer Tim Rikeit über „Jugend-Sprech“

Fooden. Lappengilde. Rewatchen. Typische Worte der Jugendsprache. Zumindest, wenn man der einschlägigen Literatur glauben darf. Doch was sagt eigentlich ein Deutschlehrer zur Jugendsprache? Wir haben mit Tim Rikeit vom Ibbenbürener Goethe-Gymnasium über dieses Thema gesprochen.

Herr Rikeit, was ist ein „Hacktivist“?


Tim Rikeit: Gute Frage. Da steckt zum Beispiel das Wort Aktivist drin. Jetzt müsste man überlegen, ob das was mit Hektik zu tun hat, oder doch eher mit hacken.

Nicht schlecht – ein politisch motivierter Hacker. Aber was versteht man unter Swag?


Rikeit: Das ist schwierig, denn darunter versteht offenbar nicht jeder dasselbe. Es scheint aber eine bestimmte Grundhaltung dahinterzustecken: Mit einer gewissen Gelassenheit die Dinge angehen.

Auch wieder dicht dran. „Eine beneidenswert lässig-coole Ausstrahlung“, definiert das Lexikon.


Rikeit: Da ist meins ja noch ungefähr mit drin.

Wir halten fest: Nicht nur Jugendliche können Jugendsprache, auch Lehrer. Wie bleibt man als Lehrer da am Ball?

Rikeit: Man redet ja täglich miteinander, oder bekommt mit, wie Schüler miteinander reden. Da haben wir Berührungspunkte zur Jugendsprache. Ich gebe aber zu, als Deutschlehrer finde ich es auch grundsätzlich ein sehr spannendes Thema. Es ist unsere Sprache, und sie hat sich immer schon verändert, und das wird sie auch weiter tun.

Hat man als Lehrer Scheu, nachzufragen, was gewisse Begriffe bedeuten?

Rikeit: Das kommt wahrscheinlich auf den Typ an. Ich nicht. Ich habe aber auch diese natürliche Neugier schon immer gehabt. Man beschäftigt sich im Studium mit altem Deutsch, warum sollte man sich in der Schule nicht mit neuem Deutsch befassen?

Nun funktioniert Sprache ja nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich. Inwieweit hält die Jugendsprache auch Einzug ins Schriftliche?

Rikeit: Das kann man so pauschal nicht sagen. Natürlich gibt es auch in unserer schriftlichen Kommunikation Veränderungen. Es gibt heute Kommunikationsweisen, die es vor 30 Jahren noch nicht gab: E-mail, Sms, What´s App. Sie haben im Vergleich zum Brief oder zur Klassenarbeit einen viel weniger formalen Charakter. Deshalb schreibt man dort eher so, wie man auch im Alltag spricht. Und weil junge Leute sehr viel schreiben, erleben wir, dass diese Sprache in andere Textformen einzieht. Der Brief an Oma oder ans Finanzamt ist aber ein anderes Register. Schüler müssen lernen, wann sie wie schreiben können.

Wo zieht der Lehrer beim Aufsatz seine Grenze?


Rikeit: Schwer zu sagen. Das ist stark altersabhängig und abhängig von der Textform. Wenn ich in der 5. Klasse ein Märchen schreibe, dann hat das natürlich eine eigene Sprache. Moderne, wissenschaftliche Begriffe gehören da nicht rein. Das bespricht man aber im Unterricht. In der Oberstufe, zum Beispiel bei einer Analyse ist das anders. Das kriegen die Schüler aber hin. Die wissen schon ganz genau, was sie wann schreiben oder wie sie sprechen dürfen. Schüler sind da Profis. Keiner würde auf die Idee kommen, mit mir so zu sprechen, wie mit Gleichaltrigen. Umgekehrt auch nicht. Wenn ich versuche, Jugendsprache zu imitieren, mache ich mich ja lächerlich. Das funktioniert nicht.

Jugendsprache ist also nichts Ungewöhnliches?

Rikeit: Nein, überhaupt nicht. Das hat es immer schon gegeben. In den 50er-, den 70er- und den 90er-Jahren. Und jetzt auch. Eine Funktion von Sprache ist es, sich über die gemeinsame Sprache als Gruppe zu definieren. Die Gruppe der Erwachsenen steht im Gegensatz zur Gruppe der Jugendlichen mit ihrer eigenen Sprache. Interessant ist aber, dass die Sprache mit einem altert. Ich benutze heute auch noch die Wörter, die ich zu meiner Jugendzeit gelernt habe. Die sagen den Jugendlichen heute nichts, aber meiner Generation natürlich sehr wohl.

Welches Wort aus Ihrer eigenen Jugendzeit hat den bei Ihren Schülern schon mal fragende Blicke hervorgerufen?

Rikeit: Wir haben in der Oberstufe das Thema Jugendsprache, das ist übrigens auch im Zentralabitur vorgesehen. Da haben wir mal eine Sammlung gemacht von heute angesagten jugendsprachlichen Begriffen. Dann habe ich mal ein paar genannt, die in meiner Jugendzeit benutzt wurden. Manche sind offenbar stabil, aber turboaffengeil oder verschärft kennt heute kein Mensch mehr. Die waren dann eher ein Lacher.

Die Veränderung der Sprache muss also keine Angst machen?

Rikeit: Im Gegenteil. Nur so bleibt sie lebendig. Unsere Welt verändert sich ja auch. Da muss sich die Sprache anpassen. Das Schlimmste wäre doch, wenn sich Sprache nicht entwickelt. Dann verliert man auch als Kultur seine Anpassungsfähigkeit.

Welche aktuelle Wortkreation der Jugend finden Sie denn typisch?

Rikeit: Das gute alte ‚yolo‘. Das war eine Zeit lang in aller Munde, ist aber mittlerweile schon wieder abgeflaut. Es ist die gesprochene Abkürzung für ‚you only live once‘ – ‚man lebt nur einmal‘. Das wurde oft in Situationen gebraucht, in denen Schüler bewusst etwas gemacht haben, was eigentlich nicht ganz in Ordnung war. Als Pseudo-Entschuldigung wurde dann recht inflationär ‚yolo‘ benutzt. Aktuell ist das aber nicht mehr akut, und ich glaube, das liegt daran, dass es einen gewissen Bewusstseinswandel bei den Jugendlichen gegeben hat. Die Grundhaltung ‚Was solls?‘ hat abgenommen.

Letzte Frage für dieses kleine Gespräch: Wo geht man hin, wenn man im ‚Restaurant zur Goldenen Möwe‘ isst?

Rikeit: Keine Ahnung.

Mc Donalds...

Rikeit: (lacht)....